Das Gesicht hinter dem Monitor

Schriftstellerei. Eine oftmals als brotlos deklarierte Kunst.
„Wähle einen richtigen Beruf“, hieß es in meinem Bekanntenkreis häufig.
„Es gibt keinen Garant dafür, dass sich dein Buch verkaufen wird, geschweige denn, dass du überhaupt einen Verlag findest.“
Sie hatten nicht Unrecht.

Denn Lektoren sehen im Schnitt etwa fünfzig eingesendete Manuskripte von angehenden Autoren in der Woche, welche es abzuarbeiten gilt.

Wie viel Umsatz kann eine Geschichte für den Verlag generieren? Wie originell ist sie? Trifft sie den Geschmack einer möglichst breiten Masse? Sich von all den anderen Schriftstellern abzuheben wird dadurch kein leichtes Unterfangen. Da ich nach wie vor noch auf der Suche bin und Self Publishing vermeiden möchte, kann ich inzwischen bestätigen, wie schwierig dies ist. Allerdings waren mir die Risiken im Vorfeld bekannt.

2014 schloss ich meine dreijährige Ausbildung zur Fachinformatikerin für Systemintegration ab. Open Source-Technologien administrieren, den Doppelboden in einem Rechenzentrum anheben, um Patchkabel zu verlegen und gelegentliche Server-Einbauten – so kann meine Arbeit grob zusammengefasst werden. Immer wieder müssen neue Herausforderungen bewältigt werden, was für mich definitiv seinen Reiz hat. Und auch, wenn meine Tätigkeit durchaus recht fordernd sein kann, bereitet sie mir große Freude, was heutzutage nicht unbedingt selbstverständlich ist.

Trotz alledem reicht mir das nicht, denn es gibt so vieles, was ich noch umgesetzt sehen möchte, so vieles, das ich verstehen lernen will. Aus diesem Grunde heraus studiere ich inzwischen Psychologie in Teilzeit, um besser nachvollziehen zu können, wie Menschen funktionieren. Und dann ist da nach wie vor die Schriftstellerei, der ich von frühester Kindheit an nachgehen wollte. Doch warum?

Wann ich zum ersten Mal wirklich den Wunsch verspürte, eine Geschichte zu gestalten und niederzuschreiben, muss zwischen meinem neunten oder zehnten Lebensjahr gewesen sein. Damals war das Videospiel „The Legend of Zelda – Ocarina of Time“ für den Nintendo 64 frisch auf den Markt gekommen. Ein früherer Freund und Klassenkamerad hatte es schließlich zum Ausprobieren vorbeigebracht und innerhalb kürzester Zeit war ich von der Welt vereinnahmt worden. Obwohl mittlerweile fast zwei Dekaden vergangen sind, erinnere ich mich daran, als wären nur wenige Stunden vorbeigezogen. In jenem Augenblick stand für mich fest: „Irgendwann werde ich Fantasy-Bücher schreiben!“ Kitschig, ich weiß.

Doch aus einem kindlich-naiven Traum ist schließlich – endlich – Realität geworden, obschon der Weg dahin steinig war. Ich würde gern behaupten, dass mir eine gewisse Begabung in die Wiege gelegt worden wäre, womit ich allerdings gelogen hätte, denn als gebürtige U.S.-Amerikanerin beherrschte ich nicht einmal die deutsche Sprache fließend, auch wenn meine Adoptiveltern deutscher Herkunft waren. Das Schreiben mochte schon kein einfaches Vorhaben für mich gewesen sein, aber das Sprechen war fast unmöglich. Fremden bin ich bereits vor dem Landeswechsel stumm gegenüber getreten und so scheint es nicht verwunderlich, dass sich meine sozialen Interaktionen in einer solch fremden Umgebung vollends auf die Familie zu beschränken begannen. Zumindest für die Entwicklung meiner Deutschkenntnisse war dieser Zustand nicht gerade förderlich. Immerhin kam es aufgrund der wachsenden Beliebtheit moderner Unterhaltungsmedien zu keiner vollständigen Isolation von der Außenwelt, obgleich ich mit meinen wenigen Freunden häufig nur schweigend auf dem Boden saß, während wir uns durch ein Spiel manövrierten. So habe ich schließlich Deutsch gelernt.

Obwohl mir meine Schulbildung ebenfalls half, waren es in erster Linie eben diese Spiele – aber auch alte Märchen der Gebrüder Grimm (die wirklich Alten) und die heute als nicht mehr zeitgemäß eingestuften Kinderbücher von Wilhelm Busch. Ich entwickelte sogar eine solche Faszination mit der deutschen Sprache, dass ich damit begann, ganze Duden auswendig zu lernen. Überhaupt – das Einprägen langer, komplexer Wörter glich zeitweilig einer sonderbaren Obsession, die bloß noch von dem Drang nach klassischer Literatur überholt wurde. Mein Verständnis wuchs langsam, wenn auch stetig. Selbst meine eigenen Kurzgeschichten verbesserten sich merklich, welche ich mit etwa zwölf Jahren niederzuschreiben begann. Die verbale Kommunikation hingegen sollte bis ins Erwachsenenalter hinein zu meinen Schwächen gehören. Um ganz ehrlich zu sein, verbesserte sich meine Rhetorik erst während meiner Ausbildung und dem täglichen Umgang mit Kunden.

Ein Jahr nach dem erfolgreichen Bestehen der Abschlussprüfung nahm ich mir endgültig vor, meinen Fantasy-Roman zu schreiben und so entstand der momentan 950-Seiten schwere Wälzer „Spiegelscherben.“

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